Das iPhone 12 und der Porträtmodus

Mit dem iPhone X (der zehnten Baureihe von Apples Smartphone) hat der Hersteller ein Feature eingeführt (eigentlich müsste man sagen: nachgereicht), von dem viele Fotografen schon lange träumten und das den Nutzern endlich das ermöglichen sollte, was bislang nur den „richtigen“ Kameras vorbehalten war – ordentliche Tiefenschärfe und ein gescheites – Achtung: Gruselwort – „Bokeh“. Gemeint ist damit: Vorne scharf, hinter hübsch unscharf. Wie Profis halt. Mit dem iPhone 12 geht der Portrait-Mode in die dritte Runde, und wir wollen mal schauen, was er kann. Um es vorweg zunehmen: Wenig. Und das, obwohl das iPhone 12 und der Porträtmodus über den grünen Klee hinaus gelopbt werden. 

Inhalt

Um genau zu sein: Dieser Modus wurde mit dem iPhone X eingeführt, wurde später über ein Software-Update sogar für die Baureihen 7 und 8 zur Verfügung gestellt. Damit ist auch schon klar, wo der Hase langläuft: Der Tiefenschärfe-Effekt wurde nicht über die eingebauten Objektive der Smartphones erreicht, sondern über die Software. Der unscharfe Hintergrund, und um den geht es hier, wird also von der eingebauten KI berechnet. Das ist unbestritten eine ziemliche Leistung, und entsprechend wurde der Portrait-Mode, wie Apple ihn nennt, gefeiert. Zumal er mittlerweile nicht nur für „echte“ Motive funktioniert, sondern auch bei abfotografierten Personen und sogar Tieren. Und selbst jene Baureihen, die Apple selbst nicht mit dem neuen Modus ausgestattet hat, können mittlerweile auf Dritt-Apps zugreifen, um diesen Effekt zu erzeugen.

Mit der Einführung einer zweiten (und in einigen Modellen sogar einer dritten Linse) wurde der Modus nochmals verbessert, und dazu zählt auch das (Stand März 2021) aktuelle iPhone, das 12 bzw. das 12 Mini und die Pro/Pro-Max-Modelle. Sie glänzen natürlich mit weiteren Verbesserungen, etwa der erweiterten HDR-Fähigkeit und dem Night-Mode, der ansprechende Aufnahmen bei Dunkelheit ermöglichen soll. Aber das soll hier nicht interessieren.

Portraits mit dem iPhone 12

Wir haben uns einmal den Portrait-Modus im neuen iPhone12 näher angesehen und ihn mit einer „richtigen“ Kamera verglichen. Das Handy tritt an gegen eine Sony Alpha 7/III, also eine spiegellose Vollformat-Kamera. Dabei haben wir auf besonders teure Objektive verzichtet, wie sie in der Porträit-Fotografe gerne genutzt werden – wie das Sigma 135mm 1.8 – und mit dem Samyang 45mm bewusst eine günstigere Linse mit vergleichbarer Brennweite benutzt. Alles andere wäre dann doch ein bißchen unfair. Nicht vergleichbar sind alle „richtigen“ Objektive allerdings in einem Aspekt: Die Blende von sagenhaften f1.4 erreichen nur die wenigsten, das iPhone schafft das ohne weiteres – wenn auch nur mit einem Trick.

Nicht berücksichtigt haben wir übrigens die verschiedenen Lichtmodi, die sich (übrigens sogar nachträglich) ebenfalls einstellen lassen, aber durch die Bank weg nur furchtbare Ergebnisse geliefert haben.

iphone 14
Auf den ersten Blick unfassbar: f1.4 mit dem iPhone und eine Schärfentiefe, dass es kracht. Wenn man in das Bild jedoch hinein zoomt, erkennt man die Schwächen.

Der Versuchsaufbau

Als Model musste Madame P herhalten, eine armlose Schaufensterpuppe, die sich gerne und widerspruchslos zur Verfügung gestellt hat. Fotografiert wurde bei Tageslicht ohne Blitz o.ä., die Bilder wurden ooC (das heißt „Out of Camera“ und soll beeindruckend klingen) auf eine für diesen Blog passende Größe heruntergerechnet, und zwar als Web-Export in Photoshop bei einer Größe von 1500 auf 2000 Pixel (die Alpha-Fotos sind geringfügig größer); die Auflösung haben wir nicht verändert. Fotografiert haben wir mit 1.8, 2.8 sowie 5.6 – Standardblenden für Festbrenntweiten, aber auch Kit-Objektive.

Das iPhone 12 und der Trick mit der Blende

Das Smartphone bietet ein Feature, auf das jeder, der eine „normale“ Kamera benutzt, nur staunend und neidisch schauen kann. Oder auch nicht. Worum geht es? Weil das iPhone streng genommen mit zwei Bildern arbeitet, die anschließend zusammengerechnet werden, kann die Blende auch im Nachhinein (!) verändert werden. Klingt komisch (Grüße an die Maus!), ist aber so. Vorstellen kann man sich das am ehesten wie zwei getrennte Bildebenen: Die eine ist das von der Kamera als solche erkannte Hauptmotiv, in der Regel ein Gesicht. Die andere ist der – ebenfalls vom iPhone identifizierte – Hintergrund. Da diese Ebenen getrennt voneinander aufgenommen werden, kann nun im „Bearbeiten“-Modus nachträglich die Blende verändert werden, und das von f1.4 bis zu f16. Wie sich der Hintergrund dabei von „unscharf“ zu scharf verändert sieht man hier.

iphone 16
Dies ist das gleiche Bild wie oben - mit Blende f16. Errechnet wurden beide Bilder aus dem gleichen Datensatz. Die virtuelle Blende ermöglicht eine nachträgliche Veränderung.

iPhone 12 contra Sony Alpha 7/III - der direkte Vergleich

Auf den ersten Blick sehen beide Bilder – abgesehen von einem unterschiedlichen Farbrendering, um das es jetzt aber nicht gehen soll, sowie leicht unterschiedliche Bildwinkel – vergleichbar aus. Das aber ändert sich, wenn man näher heranzoomt.

Portraits mit dem iPhone 12 - Bilanz

Was auf den ersten Blick sensationell wirkt, ist es auf den zweiten Blick immer noch. Und technisch ist das ganze sowieso extrem cool. Bokeh und nachträgliche Veränderungen der Blende und damit der Tiefenschärfe, das ist beeindruckend. Da können die zahlreichen Möglichkeiten, eine RAW-Datei bei der Entwicklung in Lightroom zu verändern, nur bedingt mithalten. Im Vergleich mit einer Vollformatkamera aber fällt das iPhone nach wie vor deutlich ab. Es liefert großartige Photos und sicherlich auch zweckmäßige Portraits für zwischendurch. An die Abbildungsleistung einer Vollformatkamera (und wahrscheinlich auch an die einer APSC- oder MFT-Kamera) reicht Apples Handy nach wie vor nicht heran. Besonders der Verlauf der Schärfe von Vorder- zu Hintergrund ist bei näherem Hinsehen unschön bzw. gar nicht vorhanden.

Nun ist bei solchen Vergleichen und Tests die Grenze zwischen „nachvollziehbar“ und „pixel peeping“ fließend, und die persönliche Schmerz- und Leidensfähigkeit ist ohnehin unterschiedlich ausgeprägt. Für das Bild zwischendurch, das auf kleinen Bildschirmen via SocialMedia veröffentlicht werden soll, ist der Portrait-Mode sicherlich um ein vielfaches beeindruckender als die klassische geschlossene Blende der alten Tage. Wir würden uns jedoch nicht trauen, ein Bild, das in diesem Modus – und NUR um den geht es hier – größer als im Passfotoformat drucken. Dass das auch besser geht, zeigen die unten genannten Beispiele.

Dass Apple mit diesem Smartphone dem Markt der klassischen Kameras dennoch weiter zusetzen wird, hat seinen Grund sicherlich darin, dass es für „mal eben“ dann doch beeindrucken ist. Und darin, dass das iPhone ein paar andere Sachen richtig gut kann. Über die muss man fast nicht mehr reden. Als Beweis mag reichen, dass selbst für die Tagesthemen mittlerweile manchmal mit dem iPhone gedreht wird.

Was das iPhone stattdessen gut kann

Wenn also nicht für Portraits, was dann? Landschaftsaufnahmen sind nicht das Ding der Blauen Maschine, und zudem ist dieser Beitrag kein Tutorial, wie man mit dem iPhone sensationell gute Bilder macht. Zwei Hinweise soll es dennoch geben.

Argentum

Relativ jung, kann Argentum nur wenig, das aber richtig gut. Die App bildet einzig schwarz-weiß ab – kann aber sowohl die normale als auch die Weitwinkel-Linse des iPhone 12 nutzen. Wie andere Apps auch, arbeitet Argentum mit Filtern, die – der erste Schuss ist natürlich umsonst – dazu gekauft werden müssen. Das Faszinierende, insbesondere für Fotografen, die sich mit Fotografiegeschichte und „großen“ Vorbildern auskennen, ist, dass diese Filter die Bildsprache bekannter Fotografen nachahmen. Zum Beispiel Ansel Adams, Garry Winogrand und anderen. Die App ist – im Vergleich zu anderen – einen Ticken teurer; die Ergebnisse aber sprechen für sich. Und – nebenbei bemerkt – der Support der Hersteller ist fantastisch.

argentum
Das Logo der Blauen Maschine
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