Agentur und Kunde: Respekt erweisen. Respekt einfordern.

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Es geht um eine überregionale Kampagne mit einem Budget im deutlich oberen sechsstelligen Bereich. Nach vielen Gesprächen: Anruf der Agentur, die den Job schon (fast) in der Tasche hat. Man beabsichtige, sich aus den Gesprächen zurückzuziehen und damit auch das Angebot für Konzeption und Umsetzung. Ja, man wisse, welches Budget im Raum stehe. Man verzichte trotzdem. Was war passiert? Das werden wir in diesem Blog-Beitrag ebenso erklären wie wir generell einmal das Verhältnis zwischen Kunden und Agenturen beleuchten wollen. Und glauben Sie uns, wir kennen beide Seiten bestens.

Und schließlich werden wir erklären, warum wir hin und wieder auch Projekte ablehnen. Obwohl sie gut dotiert sind und sie Spaß und Spannung versprechen. Denn es geht immer um das richitge Verhältnis zwischen „Respekt erweisen. Respekt einfordern.“

Inhalt

Um die Episode der Einleitung aufzulösen: Der Kunde wurde der Agentur zu kompliziert. Zu viele Briefinggespräche, auf die Rebriefings folgten, die wiederum von Re-Rebriefings gefolgt wurden. Wenn es, so die Agentur, bereit jetzt, lange vor den ersten konkreten Maßnahmen, so kompliziert sei, dann lasse dies für die Umsetzung nichts Gutes ahnen. Darum ziehe man sich lieber jetzt als später zurück. Der Kunde, soviel sei gesagt, guckte ziemlich bedröppelt.

Wer hängt von wem ab - Agentur und Kunde, Kunde und Agentur

Auch wenn Dienstleister auf Social immer gerne davon schreiben, dass sie für einen Kunden „etwas durften“ – ganz so simpel ist das Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer natürlich nicht. Es geht aber auch nicht nur darum, dass der Kunde die Agentur für eine Dienstleistung bezahlt, und so die Existenz der Agentur und ihrer Mitarbeitenden sicherstellt. Sicher versetzt dies den Kunden, die Kundin auf den ersten Blick in eine vermeintliche Position der Stärke. Motto: Wer zahlt, schafft an. 

Aber: Wer eine Agentur beauftragt, hat in der Regel ein Problem, das er oder sie allein nicht lösen kann oder nicht lösen will. Sei es, weil es an Ressourcen, sei es, weil es an Know-How fehlt. Dieses Defizit wiederum wird als so stark empfunden, dass Hilfe von außen gesucht wird. Die Agentur befindet sich damit in einer – vielleicht unbewussten – Position der Stärke, selbst wenn sie sich noch im Pitch befindet: Der Kunde braucht Hilfe und sucht diese – unter anderem – bei dieser einen Agentur. 

Agentur und Kunde befinden sich damit in weitestem Sinne in einer gegenseitigen Abhängigkeit. Der eine kann nicht ohne die andere. Und umgekehrt. Idealerweise ist dies beiden Seiten klar, und wird – als Grundlage für die Zusammenarbeit – stillschweigend akzeptiert und respektiert. Denn das Wissen um die eigene Abhängigkeit sollte verhindern, das Gegenüber seine Abhängigkeit spüren zu lassen.

Briefings und ReBriefings - der erste Eindruck entscheidet

Die Anfrage ist abgeschickt, angekommen, durchgesehen, der Termin für das erste Gespräch steht – und prompt befinden wir uns in einer Situation, vergleichbar mit einem Blind Date: Es bleiben nur Bruchteile einer Sekunde, die über Sympathie entschieden. Und dies gilt – eingedenk des oben gesagtes – für beide Seiten. Nicht nur die Agentur zeigt sich hier von der besten Seite (oder sollte es), auch der Kunde tut dies. Oder sollte es.

Dies beginnt bei der Frage, wo man sich trifft, und endet noch lange nicht bei der Frage, wer diesen ersten Gesprächen dabei ist. Der kompetente Coder, dessen Sozialverhalten sich am ehesten in Einsen und Nullen ausdrücken lässt? Der Kollege aus der Wirtschaftsabteilung, der im zweiten Satz auf das geringe Budget („Eigentlich haben wir gar kein Geld für sowas…“) hinweist? Wohl eher nicht. 

Tipps, wie man ein solches Erstgespräch gestalten sollte, geben wir an dieser Stelle nicht. Wohl aber den Hinweis der freundlichen Schweden von Roxette: „Listen to your heart“. Das Bauchgefühl, das sich nach wenigen Minuten – spätestens – einstellt, ist nicht immer, aber oft richtig. Sollte man dem folgen? Diese Frage beantworten wir jetzt:

Die Blaue Maschine und die Kunden. Eine Frage des Respekts.
Manchmal sieht der Kunde den Wald vor lauter Bäumen nicht...

Aus Sicht des Kunden: Kriterien für die Agenturauswahl

Es gibt in der Regel bei allen Unternehmen und Organisationen Checklisten und Prozeduren, die bei der Zusammenstellung einer Shortlist (also der Liste der Agenturen, die zu einem Pitch oder einer Präsentation eingeladen werden)  helfen sollen. Dazu zählen Faktoren wie 

  • Empfehlungen
  • bisherige Kunden
  • Nähe zur Branche (oder, und auch das kann gewollt sein, eben gerade KEINE Nähe zur Branche), Erfahrung
  • Alter der Agentur
  • Pricing
  • Größe
  • räumliche Nähe,
  • Tonalität und Auftritt. 

Und schließlich die persönliche Nähe zwischen den Beteiligten, die, auch wenn es Compliance-Regeln gibt, nicht zu unterschätzen ist.

Was wird am Ende entscheiden? Darüber gibt kein Kunde gerne Auskunft. In der Regel ist es eine Mischung als allen Faktoren. Die persönliche Sympathie – oder auch der „Ich kann mir gut vorstellen, mit dieser Agentur zusammenzuarbeiten, auch wenn sie teuer/unkoventionell/branchenfremd ist“-Effekt – ist aber nicht selten das Zünglein an der Waage. Vorausgesetzt, die fachliche Expertise der Agentur ist grundsätzlich anerkannt.   

Kunde und Agentur
So bitte nicht. Respekt auf beiden Seiten.

Aus Sicht der Agentur: Zusagen oder Absagen

Zugegeben: Keine Agentur spricht offen darüber, aber auch sie überprüft, ob der anfragende Kunde zu ihr passt oder nicht. Zumindest sollte sie dies tun. Das gilt nicht nur für Kunden, die für eine politische Grundhaltung stehen, die nicht zu der Agentur nicht passt. Dies gilt ebenso 

  • für die Branche
  • für Erfahrungen bisheriger Dienstleister (sofern man dies in Erfahrung bringen kann), 
  • Geschichte und Alter des Kunden
  • Erfahrungen im Vorfeld – wie aufwändig ist es beispielsweise, einen Termin zu vereinbaren, wer ist der Ansprechpartner im Unternehmen
  • Wie präsentiert sich das Unternehmen bislang – will man diesen Kunden überhaupt im Portfolio haben? 
  • Wie sauber ist das Briefing – kann man damit arbeiten oder wirft es mehr Fragen auf als es beantwortet?
  • Das Budget im Bezug auf Projekt und Ziele

Und schließlich: Wie ernst nimmt der Kunde die Agentur? Hat man ernsthaftes Interesse an einer Zusammenarbeit oder geht es um ein Proforma-Angebot, um Compliance-Vorgaben zu erfüllen, während die Entscheidung über die Budgetvergabe längst gefallen ist? Und natürlich spielt auch hier die persönliche Sympathie eine entscheidende Rolle.

Auch hier die Frage: Was wird am Ende entscheiden, ob man Gespräche führt und möglicherweise sogar Ressourcen in den Erstkontakt investiert? Schließlich muss sich auch der Aufwand im Pre-Sales lohnen oder zumindest im Verhältnis zum erwarteten Auftrag stehen. Schließlich: Auch ein dreistündiges Briefing-Gespräch kostet. 

Meilensteine im Angebot: Mögliche Exitstrategien

Die ersten Gespräche haben stattgefunden, das Briefing liegt vor – nun wird es Zeit für das Angebot. Hier nun hat jede Agentur ihr eigenes Format – wir kennen Angebote für umfangreiche Projekte, die auf eine Seite passen und umgekehrt 20-seitige Angebote für eine Landingpage. Beides mag sinnvoll sein und im Miteinander der beiden Partner funktionieren.

Wie machen wir das – und nicht nur wir? Angefragte Projekte werden in Pakete oder Leistungskomplexe zerlegt, die inhaltlich voneinander abhängen, aber gegebenenfalls auch einzelne funktionieren. Um es zu konkretisieren: Wenn Website, CD und Geschäftsausstattung gefragt sind, umfasst das Angebot drei Leistungskomplexe, die in sinnvoller Reihenfolge abgearbeitet werden (in diesem Fall erst das CD, dann die Website und die Geschäftsausstattung), die aber – im schlimmsten Fall – auch jeweils von anderen Partnern abgearbeitet werden können.

Sollte also im Zuge der Logo-Entwicklung die Stimmung in den Keller gehen und die Zusammenarbeit beendet werden, bevor die beiden anderen Pakete in Angriff genommen wurden, so ist wenigstens das erste Paket abgearbeitet, kann in Rechnung gestellt werden und vom Kunden als Grundlage für die Weiterarbeit dienen – dann mit einer anderen Agentur. Voraussetzung ist freilich, dass der gegenseitige Respekt (siehe unten) dafür ausreicht, diesen Teilschritt zu Ende zu bringen. Denn den worst case – Abbruch der Zusammenarbeit mitten im Projekt – sollten eigentlich alle beteiligten Partner vermeiden wollen.    

Eine Frage des Respekts. Auf beiden Seiten.

Eine Auswahl möglicher Kommentare nach dem Erstgespräch? Gerne.

Kunde: „Schon cool. Aber auch ziemliche Dampfplauderer. Die kochen auch nur mit Wasser.“

Agentur: „Wie sind die mit der Website überhaupt soweit gekommen? Und – hast Du das Logo gesehen?“

Kann man machen. Ist dann aber doof. Warum? Weil diese Grundhaltung auf Dauer schädlich ist. Die Details folgen jetzt:

An die Agenturen: Respektieren Sie den Kunden.

Jedes Unternehmen, jede Organisation, jeder und jede, der oder die Sie anfragt, hat eine Geschichte und hat eine Vision. Beides prägt den Kunden, bewusst oder unbewusst. Nicht immer kann die Vision formuliert werden, und nicht immer wird transparent, welche Entscheidungen in der Vergangenheit zu einer Position in der Gegenwart führen. Das Logo sieht scheusslich aus, und wurde zudem von der Tochter des Firmengründers gezeichnet? Es ist wahrscheinlich keine gute Idee, hier gleich ein komplettes Redesign vorzuschlagen. Darum zuallererst: Zuhören, nachfragen (idealerweise schon im Vorfeld), und – Vorsicht walten lassen.

Gibt es eine Faustregel, eine Formel, an der man schwierige Kunden erkennt? Leider nicht. Aber es gibt Erfahrungswerte: Je länger ein Kunde am Markt ist und je stärker er von Einzelpersonen geführt wird, desto höher ist unserer Erfahrung nach die Beratungsresistenz. 20 Jahre am Markt, obwohl das Logo schlecht und die Website auf Typo3, Version 4 basiert – hier ein neues Logo und eine technisch aktuelle Website durchzusetzen, die dann auch noch viel Geld kosten sollte, könnte schwer werden.  

An die Kunden: Respektieren Sie die Agentur

Vorneweg: Ja, es stimmt. Agenturen kochen auch nur mit Wasser. Das aber kochen sie in der Regel mit Expertise und mit Sachverstand. Darum haben Sie, lieber Kunde, sich an eine Agentur gewandt. Weil Sie Hilfe und externe Beratung brauchen. Und das kann auch bedeuten, dass Sie dafür bezahlen, Dinge zu hören, die Sie nicht hören wollen. Oder die Ihrer eigenen Erfahrung (siehe oben, Punkt 7) zu widersprechen scheinen. Dies zu hinterfragen, mag hin und wieder sinnvoll und notwendig sein – wie gesagt, hier wird auch nur mit Wasser gekocht -, die Agentur mit einem grundsätzlichen Mißtrauen zu begegnen, wird für keine der beiden Seiten zu einem befriedigenden Erlebnis werden. Gehen Sie davon aus: Die denken sich was dabei. Nur – erklären können sollten sie es. Ein „Das machen wir immer so, und andere Kunden sind auch sehr zufrieden“ reicht da nicht. 

Agentur und Kunde
Falls das Verhältnis dann doch zu giftig wird...

Und wenn - dann passiert es eben.

Das ist der worst case, und auch der kommt vor. Idealerweise stellt man vor der Zusammenarbeit fest, dass es keine Zusammenarbeit geben wird.

Oder – sehr unschön, zugegeben – man merkt es im Projektverlauf. Da empfehlen wir Punkt 5. Ansonsten: Denken Sie an eine Beziehung. Wenn sie endet, so der allgemeine Wunsch, sollte man sich hinterher noch in die Augen sehen können.

Kurz: Nehmen Sie sich die Zeit, erklären Sie sich, begründen Sie. Und – bleiben Sie bei Ihrer Entscheidung. Die möglichen Reaktionen auf das Ende einer Zusammenarbeit hat ebenfalls Ähnlichkeiten mit dem Ende einer Beziehung. Von Schulterzucken bis hin zu völliger Überraschung, von nüchterner Akzeptanz bis zu dem inständigen Bitten um eine Fortsetzung ist alles dabei.

Ein Zurückrudern führt nach unserer Erfahrung nur zu einem: Die Symmetrie gegenseitiger Abhängigkeit, des Aufeinander Angewiesen seins, gerät aus dem Gleichgewicht: „Halb zog sie ihn, halb sank er hin“ – Goethe wusste, das endet nicht gut.

Learnings und Restart

Die sind schnell aufgelistet – sehen Sie die Punkte 1 – 9 durch und überprüfen Sie, woran es gemangelt hat. Kunden nicht verstanden? Agentur überfordert? Unklare Erwartungen, schlechtes Briefing? Auf jeden Fall gilt: Lernen, Krönchen richten, weitermachen. Viel Erfolg.

Das Logo der Blauen Maschine
Die Blaue Maschine, Hof

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